Juli 16

In Ordnung bringen

 

Es herrschte eine grosse Dürre, die Menschen im Dorf waren unglücklich, jeder schaute nur noch für sich. Vor den Häusern lag der Dreck, die Tiere litten, und bereits starben die ersten Kühe an Hunger und Durst. Streit und Missgunst herrschte zwischen den Bewohnern. Von bösem Zauber wurde gemunkelt, aber nur hinter der vorgehaltenen Hand.
Plötzlich rannte eine Frau durch das Dorf und rief: „Ein grosser Schamane kommt aus den Bergen in die Richtung unseres Dorfes!“ Aufgeregt liefen die Leute hin und her. Er musste ihnen helfen!
Der Schamane kam langsamen Schrittes über die Ebene zum Dorf. Er hatte einen langen Stock in der Hand, ein kleines Bündel dabei und war in einfache Kleider gekleidet. Er sah ganz und gar nicht wie ein grosser Schamane aus. Mit wenigen Worten begrüsste er die Bewohner. „Du musst uns helfen“, riefen die einen ihm zu. „Wir werden sterben“, weinten andere. „Wenn du uns nicht hilfst, sind wir verloren“, sagte die Frau des Ältesten.
Der Schamane schwieg lange, schaute die Dorfleute an und sagte: „Gebt mir eine Hütte und lasst mich drei Tage alleine“. So geschah es. Die Leute im Dorf warteten. Die Stimmung war gedämpft, und manch einer kämpfte mit der Hoffnungslosigkeit und dem Zweifel. Nicht einmal eine Zeremonie wollte er machen, der Schamane. Geschweige den ein Opfer! Trotzdem begannen sie, den Dreck wegzuräumen, der überall herumlag, fegten den Dorfplatz und zum ersten Mal seit Tagen war die Stimmung etwas gelöster. Die Tage und Nächte vergingen. Es war still im Dorf. Alle warteten auf das Ende der drei Tage. Dann würde der Schamane sicher eine grosse Zeremonie machen.
Am dritten Tag zogen Wolken über den Himmel,in der dritten Nacht begann es zu regnen. Tanzend und singend begrüssten die Menschen das lang ersehnte Wasser. „Wir sind gerettet“, riefen sie, und „Lang lebe der grosse Zauberer!“.
Am nächsten Morgen öffnete der Schamane die Türe seiner Hütte und trat heraus. Vor ihm standen alle Dorfbewohner, verneigten sich vor ihm und wagten kaum, ihn anzuschauen. „Du bist ein grosser Zauberer, oh du mächtiger Schamane“, sagte der Älteste. „Wir stehen in deiner Schuld. Aber jetzt sag mir, wie hast du das gemacht? Wie hast du ohne Zeremonie oder ein Opfer in drei Tagen Regen gezaubert?“
Der Schamane lächelte: „Ich kam in euer Dorf, und ich sah, das alles in Unordnung war. Dann erkannte ich, dass ich selbst in Unordnung war. Da bat ich um eine Hütte und Zeit, um mich selbst in Ordnung zu bringen. Nachdem ich begonnen habe, mich in Ordnung zu bringen, habt ihr angefangen, euch selbst in Ordnung zu bringen. Und nachdem ihr euch selbst in Ordnung gebracht habt, hat sich die Natur in Ordnung gebracht.“

 

Afrikanische Geschichte

   
  >> Gesammelte Geschichten
   
  >> zurück zu «Aktuell»